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CHRISTINA MARIA VOGT — 26 / 06 / 2025

Kündigung wegen Geschäftsaufgabe: Frist

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Das Wichtigste im Überblick

  • Geschäftsaufgabe berechtigt zur betriebsbedingten Kündigung – Arbeitgeber können bei kompletter Betriebsschließung ordentlich kündigen, müssen aber strenge Voraussetzungen erfüllen
  • Kündigungsfristen bleiben bestehen – Auch bei Geschäftsaufgabe gelten die regulären gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen, eine sofortige Beendigung ist nicht zulässig
  • Sozialauswahl und Abfindungsansprüche – Selbst bei Geschäftsaufgabe müssen Arbeitgeber die Sozialauswahl beachten und Arbeitnehmer haben oft Anspruch auf Abfindungen

 

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Wenn der Arbeitgeber das Geschäft aufgibt

Die Nachricht, dass der Arbeitgeber sein Geschäft aufgibt, ist für jeden Arbeitnehmer ein Schock. Existenzängste und Unsicherheit über die eigene berufliche Zukunft prägen diese schwierige Situation. Viele Betroffene fragen sich: Welche Rechte habe ich? Muss ich eine sofortige Kündigung akzeptieren? Welche Fristen gelten?

Die Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist ein komplexes arbeitsrechtliches Thema, das sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber rechtliche Fallstricke bereithält. Eine Geschäftsaufgabe bedeutet nicht automatisch, dass alle arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen außer Kraft gesetzt werden. Vielmehr müssen auch in dieser Ausnahmesituation die gesetzlichen Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes und der allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen beachtet werden.

In meiner langjährigen Praxis als Rechtsanwältin für Arbeitsrecht erlebe ich immer wieder, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen bei einer Geschäftsaufgabe falsch einschätzen. Während Arbeitnehmer oft glauben, sie müssten jede Kündigung kommentarlos hinnehmen, gehen Arbeitgeber häufig davon aus, dass eine Geschäftsaufgabe automatisch zu einer vereinfachten Kündigungsmöglichkeit führt. Beide Annahmen sind rechtlich nicht korrekt.

 

Rechtliche Grundlagen der Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Das Kündigungsschutzgesetz als Rahmen

Die rechtliche Grundlage für Kündigungen wegen Geschäftsaufgabe findet sich primär im Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe bedingt ist.

Betriebsbedingte Kündigung bei Geschäftsaufgabe

Für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung müssen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vier Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Unternehmerische Entscheidung: Der Arbeitgeber muss eine ordnungsgemäße unternehmerische Entscheidung zur Geschäftsaufgabe getroffen haben
  2. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs: Durch die Geschäftsaufgabe muss der Beschäftigungsbedarf dauerhaft entfallen
  3. Interessenabwägung: Die Interessen des Arbeitgebers müssen die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen
  4. Sozialauswahl: Bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl erfolgen

Kündigungsfristen bleiben bestehen

Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Annahme, dass bei einer Geschäftsaufgabe die regulären Kündigungsfristen nicht gelten. Das Gegenteil ist der Fall: Auch bei einer betriebsbedingten Kündigung wegen Geschäftsaufgabe sind die gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen einzuhalten.

Nach § 622 BGB beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist grundsätzlich vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Diese Frist verlängert sich je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Hauptaspekte der Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Vollständige versus teilweise Geschäftsaufgabe

Bei der rechtlichen Bewertung ist zu unterscheiden zwischen einer vollständigen und einer nur teilweisen Geschäftsaufgabe. Eine vollständige Geschäftsaufgabe liegt vor, wenn der Arbeitgeber seine gesamte betriebliche Tätigkeit einstellt und den Betrieb komplett schließt. In diesem Fall entfällt der Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer dauerhaft.

Bei einer teilweisen Geschäftsaufgabe wird nur ein Betriebsteil oder eine Abteilung geschlossen, während andere Bereiche des Unternehmens weitergeführt werden. Hier gelten verschärfte Anforderungen, da geprüft werden muss, ob eine Weiterbeschäftigung in anderen Betriebsteilen möglich ist.

Sozialauswahl bei Geschäftsaufgabe

Selbst bei einer Geschäftsaufgabe ist der Arbeitgeber zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl verpflichtet, wenn nicht alle Arbeitnehmer gleichzeitig gekündigt werden. Dies ist insbesondere relevant, wenn die Geschäftsaufgabe schrittweise erfolgt oder bestimmte Arbeitnehmer noch für Abwicklungsarbeiten benötigt werden.

Die Sozialauswahl erfolgt nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Konsultationsverfahren und Betriebsrat

Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser nach § 17 KSchG über geplante Betriebsänderungen, zu denen auch die Geschäftsaufgabe gehört, rechtzeitig und umfassend unterrichtet werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem Betriebsrat über die geplanten Maßnahmen zu beraten und einen Interessenausgleich anzustreben.

Bei Kündigungen von mehr als einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern (abhängig von der Betriebsgröße) handelt es sich um eine Massenentlassung nach § 17 KSchG. In diesem Fall ist zusätzlich ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchzuführen und die Bundesagentur für Arbeit zu informieren.

Abfindungsansprüche

Arbeitnehmer haben bei einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe oft Anspruch auf eine Abfindung. Grundsätzlich besteht kein gesetzlicher Abfindungsanspruch, jedoch ergeben sich Abfindungsansprüche aus verschiedenen Quellen:

Abfindung nach § 1a KSchG: Wenn der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung auf die Möglichkeit einer Abfindung hinweist und der Arbeitnehmer die dreiwöchige Klagefrist verstreichen lässt, besteht ein Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.

Abfindung aus Sozialplan: Existiert ein Betriebsrat, kann im Rahmen eines Sozialplans eine Abfindungsregelung vereinbart werden. Sozialplanabfindungen sind oft höher als die gesetzliche Abfindung nach § 1a KSchG.

Abfindung durch gerichtlichen Vergleich: Wird eine Kündigungsschutzklage erhoben, endet eine Vielzahl der Verfahren mit einem Vergleich, der eine Abfindung vorsieht.

 

Praktische Tipps für betroffene Arbeitnehmer

Sofortmaßnahmen nach Erhalt der Kündigung

Wenn Sie eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe erhalten, sollten Sie folgende Schritte beachten:

Ruhe bewahren und Fristen beachten: Die wichtigste Frist ist die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG. Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben werden, andernfalls wird die Kündigung unwiderlegbar wirksam.

Arbeitslosengeld beantragen: Melden Sie sich umgehend bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend. Dies sollte bereits bei Kenntnis der geplanten Kündigung, spätestens jedoch drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen.

Dokumentation sammeln: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen wie den Arbeitsvertrag, Kündigungsschreiben, Zeugnisse und Gehaltsabrechnungen. Diese werden für die rechtliche Bewertung und eventuelle gerichtliche Auseinandersetzungen benötigt.

Prüfung der Kündigungsvoraussetzungen

Lassen Sie prüfen, ob die Kündigung alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt:

  • Ist die Geschäftsaufgabe tatsächlich erfolgt oder nur geplant?
  • Wurden die korrekten Kündigungsfristen eingehalten?
  • Erfolgte eine ordnungsgemäße Sozialauswahl?
  • Wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt?

Verhandlungen über Abfindung

Auch wenn zunächst keine Abfindung angeboten wird, bestehen oft Verhandlungsmöglichkeiten. In meiner Praxis zeigt sich, dass Arbeitgeber bei einer drohenden Kündigungsschutzklage häufig zu Abfindungsverhandlungen bereit sind, da ein Gerichtsverfahren für beide Seiten mit Unsicherheiten und Kosten verbunden ist.

Checkliste: Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Für Arbeitnehmer:

  • Kündigungsschreiben auf Vollständigkeit prüfen (Datum, Unterschrift, Kündigungsgrund)
  • Kündigungsfrist kontrollieren (gesetzlich oder vertraglich vereinbart)
  • Dreiwöchige Klagefrist beachten
  • Bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend melden
  • Relevante Unterlagen sammeln und sichern
  • Rechtliche Beratung einholen
  • Abfindungsmöglichkeiten prüfen>
  • Arbeitszeugnis anfordern

Rechtliche Prüfpunkte:

  • Liegt tatsächlich eine ernsthafte Geschäftsaufgabe vor?
  • Wurden alle Arbeitnehmer gleich behandelt?
  • Erfolgte eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung?
  • Ist die Sozialauswahl korrekt durchgeführt worden?
  • Bestehen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten?
  • Sind besondere Schutzbestimmungen zu beachten (Mutterschutz, Schwerbehinderung)?

Ihre Rechte ernst nehmen

Eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist für Betroffene zunächst ein schwerer Schlag. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass auch in dieser Situation umfassende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen greifen. Die Geschäftsaufgabe berechtigt den Arbeitgeber nicht dazu, arbeitsrechtliche Standards zu missachten oder Kündigungsfristen zu verkürzen.

Die Komplexität des Themas zeigt, wie wichtig eine sachkundige rechtliche Bewertung der individuellen Situation ist. Jeder Fall ist anders gelagert, und die optimale Strategie hängt von den konkreten Umständen ab. Ob Kündigungsschutzklage, Abfindungsverhandlungen oder andere rechtliche Schritte sinnvoll sind, kann nur nach einer gründlichen Analyse der Rechtslage entschieden werden.

>Als erfahrene Rechtsanwältin für Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung, um Ihre Situation zu bewerten und gemeinsam die beste Lösung zu finden. Zögern Sie nicht, sich frühzeitig rechtlichen Rat zu holen – oft können dadurch wesentlich bessere Ergebnisse erzielt werden.

Häufig gestellte Fragen

Kann mein Arbeitgeber bei Geschäftsaufgabe fristlos kündigen?

Nein, eine Geschäftsaufgabe berechtigt grundsätzlich nicht zur fristlosen Kündigung. Es gelten die regulären Kündigungsfristen nach dem Arbeitsvertrag oder dem Gesetz. Eine fristlose Kündigung ist nur aus einem wichtigem Grund möglich, der in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen muss.

Muss ich eine Abfindung akzeptieren, wenn sie angeboten wird?

Nein, Sie sind nicht verpflichtet, eine angebotene Abfindung zu akzeptieren. Sie können die Kündigung auch gerichtlich überprüfen lassen. Oft lassen sich durch Verhandlungen oder im Rahmen eines Gerichtsverfahrens höhere Abfindungen erzielen.

Wie beweise ich, dass keine echte Geschäftsaufgabe vorliegt?

Indizien für eine Scheingeschäftsaufgabe sind etwa die Weiterführung ähnlicher Geschäfte durch nahestehende Personen, die Neugründung eines Unternehmens kurz nach der angeblichen Geschäftsaufgabe oder der Verkauf von Betriebsteilen unter Wert.

Kann ich trotz Geschäftsaufgabe eine Kündigungsschutzklage erheben?

Ja, auch bei einer Geschäftsaufgabe können Sie eine Kündigungsschutzklage erheben. Diese ist innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht einzureichen. Häufig führt die Klage zu Vergleichsverhandlungen mit einer höheren Abfindung.

Was passiert mit meinem Urlaub bei Geschäftsaufgabe?

Nicht genommener Urlaub muss grundsätzlich abgegolten werden. Der Urlaubsanspruch verfällt nicht durch die Geschäftsaufgabe.

Bin ich verpflichtet, bei der Geschäftsabwicklung zu helfen?

Grundsätzlich sind Sie zur Arbeitsleistung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Dies kann auch Tätigkeiten im Rahmen der Geschäftsabwicklung umfassen, sofern diese Ihrem Arbeitsvertrag entsprechen oder zumutbar sind.

Wie wirkt sich eine Geschäftsaufgabe auf mein Arbeitszeugnis aus?

Sie haben auch bei einer Geschäftsaufgabe Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Geschäftsaufgabe darf sich nicht negativ auf die Bewertung Ihrer Arbeitsleistung auswirken. Das Zeugnis sollte rechtzeitig angefordert werden.

Kann ich bei Geschäftsaufgabe Elternzeit oder Elterngeld beanspruchen?

Ja, besondere Schutzbestimmungen wie Mutterschutz oder Elternzeit gelten auch bei Geschäftsaufgabe. Eine Kündigung während der Elternzeit ist grundsätzlich unzulässig, auch wenn das Geschäft aufgegeben wird.

Was mache ich, wenn mein Arbeitgeber zahlungsunfähig ist?

Bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers können Sie Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Dieses deckt Lohnansprüche der letzten drei Monate vor der Insolvenz ab. Zusätzlich sollten Sie Ihre Ansprüche zur Insolvenztabelle anmelden.

Welche Fristen muss ich bei einer Geschäftsaufgabe-Kündigung beachten?

Die wichtigste Frist ist die dreiwöchige Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage. Zusätzlich sollten Sie sich umgehend arbeitsuchend melden und alle erforderlichen Anträge (Arbeitslosengeld, ggf. Insolvenzgeld) rechtzeitig stellen.

 

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