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CHRISTINA MARIA VOGT — 19 / 06 / 2025

Kündigung wegen Geschäftsaufgabe: Abfindung und Ihre Rechte

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Das Wichtigste im Überblick

  • Geschäftsaufgabe berechtigt zur betriebsbedingten Kündigung – Arbeitgeber können bei echter Betriebsschließung Arbeitsverträge kündigen, müssen aber strenge rechtliche Voraussetzungen erfüllen
  • Abfindungsanspruch besteht nicht automatisch – Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch entsteht nur in bestimmten Konstellationen, jedoch sind Verhandlungen oft erfolgreich und sinnvoll
  • Sozialauswahl und Kündigungsfristen sind einzuhalten – Auch bei Geschäftsaufgabe müssen Arbeitgeber die gesetzlichen Schutzbestimmungen und Auswahlkriterien beachten

 

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Wenn der Betrieb schließt – Ihre Rechte als Arbeitnehmer

Die Kündigung wegen Geschäftsaufgabe stellt für Arbeitnehmer eine besonders belastende Situation dar. Anders als bei anderen betriebsbedingten Kündigungen steht hier nicht die Umstrukturierung, sondern die komplette Einstellung der Geschäftstätigkeit im Raum. Diese Situation wirft viele rechtliche Fragen auf: Ist die Kündigung überhaupt rechtmäßig? Steht mir eine Abfindung zu? Wie kann ich meine Rechte optimal durchsetzen?

Die rechtlichen Grundlagen sind komplex und die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Für Betroffene ist es daher entscheidend, ihre Rechte genau zu kennen und die richtigen Schritte einzuleiten.

Rechtliche Grundlagen der betriebsbedingten Kündigung bei Geschäftsaufgabe

Kündigungsschutzgesetz als zentrale Norm

Die rechtliche Grundlage für Kündigungen wegen Geschäftsaufgabe findet sich im Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen.

Die Geschäftsaufgabe stellt grundsätzlich ein solches dringendes betriebliches Erfordernis dar. Allerdings muss die Entscheidung zur Betriebsschließung auf nachvollziehbaren unternehmerischen Gründen beruhen.

Voraussetzungen für die rechtmäßige Kündigung

Damit eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe rechtmäßig ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

Die unternehmerische Entscheidung zur Geschäftsaufgabe muss echt und endgültig sein. Scheingeschäfte oder vorgetäuschte Betriebsschließungen rechtfertigen keine Kündigung. Der Arbeitgeber muss glaubhaft darlegen können, warum er den Betrieb einstellt.

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in anderen Betriebsteilen oder Unternehmensbereichen darf nicht bestehen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet zu prüfen, ob der Arbeitnehmer anderweitig eingesetzt werden kann.

Die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG muss beachtet werden, sofern nicht alle Arbeitnehmer gleichzeitig gekündigt werden. Hierbei sind Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu berücksichtigen.

Besonderheiten bei der Geschäftsaufgabe

Im Gegensatz zu anderen betriebsbedingten Kündigungen entfällt bei der kompletten Geschäftsaufgabe oft die Sozialauswahl, da alle Arbeitsplätze wegfallen. Dies vereinfacht das Verfahren für den Arbeitgeber erheblich. Dennoch müssen die ordentlichen Kündigungsfristen eingehalten werden.

Ein wichtiger Aspekt ist die Unterscheidung zwischen der echten Geschäftsaufgabe und dem Betriebsübergang. Wird das Unternehmen oder wesentliche Betriebsteile an einen anderen Inhaber übertragen, greift § 613a BGB. In diesem Fall gehen die Arbeitsverhältnisse automatisch auf den neuen Betriebsinhaber über, und Kündigungen allein wegen des Übergangs sind unwirksam.

Abfindungsansprüche bei Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Gesetzliche Abfindungsregelungen

Ein automatischer gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht bei Kündigung wegen Geschäftsaufgabe grundsätzlich nicht. Dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Das deutsche Arbeitsrecht kennt nur in wenigen Ausnahmefällen einen gesetzlichen Abfindungsanspruch.

Eine Ausnahme bildet § 1a KSchG: Hier kann der Arbeitnehmer eine Abfindung in Höhe von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr beanspruchen, wenn er auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet und der Arbeitgeber in der Kündigung auf diese Möglichkeit hinweist. Diese Regelung kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber sie explizit anbietet.

Abfindung durch gerichtlichen Auflösungsantrag

Nach § 9 KSchG kann das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilen, wenn die Kündigung zwar sozial ungerechtfertigt ist, dem Arbeitnehmer aber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist.

Bei einer Geschäftsaufgabe ist diese Konstellation eher selten, da meist objektive Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Dennoch kann ein Auflösungsantrag sinnvoll sein, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung bestehen.

Verhandlungsabfindung als häufigster Fall

In der Praxis entstehen Abfindungsansprüche bei einer Geschäftsaufgabe meist durch Verhandlungen. Viele Arbeitgeber sind bereit, freiwillig Abfindungen zu zahlen, um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und einen einvernehmlichen Übergang zu schaffen.

Die Höhe solcher Verhandlungsabfindungen orientiert sich oft an der Faustformel von einem halben bis ganzen Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. In Einzelfällen können jedoch deutlich höhere oder niedrigere Beträge vereinbart werden, abhängig von der konkreten Situation und dem Verhandlungsgeschick der Beteiligten.

Praktische Tipps für Betroffene

Sofortmaßnahmen nach Erhalt der Kündigung

Nach Erhalt einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe sollten Sie zunächst Ruhe bewahren und strukturiert vorgehen. Lesen Sie die Kündigung sorgfältig durch und notieren Sie sich das Datum des Zugangs. Dies ist wichtig für die Berechnung der Drei-Wochen-Frist für eine eventuelle Kündigungsschutzklage.

Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen: Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen, Korrespondenz mit dem Arbeitgeber, Zeugnisse und sonstige arbeitsrechtliche Dokumente. Diese werden für die rechtliche Bewertung benötigt.

Informieren Sie sich umgehend bei der Arbeitsagentur über Ihre Ansprüche auf Arbeitslosengeld. Melden Sie sich arbeitsuchend. Dies verhindert eine Sperrzeit und sorgt für nahtlose Leistungen.

Prüfung der Kündigung

Lassen Sie die Kündigung rechtlich prüfen, auch wenn sie auf den ersten Blick berechtigt erscheint. Häufige Fehlerquellen sind:

Formfehler bei der Kündigung (fehlende Schriftform, falsche Unterschrift, unklare Formulierungen), Nichteinhaltung der Kündigungsfristen, fehlerhafte oder unterlassene Beteiligung des Betriebsrats, Verstoß gegen Sonderkündigungsschutz (Schwangerschaft, Elternzeit, Schwerbehinderung).

Auch bei rechtmäßigen Kündigungen kann eine Prüfung sinnvoll sein, da sie die Verhandlungsposition für Abfindungsgespräche stärkt.

Verhandlungsstrategien für Abfindungen

Eine erfolgreiche Abfindungsverhandlung erfordert Vorbereitung und taktisches Geschick. Sammeln Sie Argumente für eine höhere Abfindung: lange Betriebszugehörigkeit, besondere Leistungen, schwierige Arbeitsmarktlage in Ihrem Bereich, private Belastungen.

Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Arbeitgeber haben oft Interesse an schnellen Einigungen und sind daher verhandlungsbereit. Nutzen Sie professionelle Unterstützung, da erfahrene Rechtsanwälte oft deutlich höhere Abfindungen durchsetzen können.

Denken Sie auch an Nebenleistungen: Freistellung, Übernahme von Bewerbungskosten, qualifiziertes Arbeitszeugnis, Verzicht auf Rückforderungen.

Checkliste: Ihre Rechte bei Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Unmittelbar nach Erhalt der Kündigung

  • Kündigungsschreiben sorgfältig durchlesen und Datum des Zugangs notieren
  • Drei-Wochen-Frist für Kündigungsschutzklage im Blick behalten
  • Arbeitsuchendmeldung bei der Arbeitsagentur
  • Sammlung aller arbeitsrechtlichen Unterlagen
  • Rechtliche Erstberatung in Anspruch nehmen

Prüfung der Kündigung

  • Schriftform und ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden?
  • Kündigungsfrist korrekt berechnet?
  • Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt?
  • Sonderkündigungsschutz zu beachten?
  • Sozialauswahl korrekt durchgeführt?Sozialauswahl korrekt durchgeführt?

Abfindungsverhandlung

  • Eigene Verhandlungsposition realistisch einschätzen
  • Argumente für höhere Abfindung sammeln
  • Nebenleistungen in Verhandlung einbeziehen
  • Professionelle Unterstützung erwägen
  • Steuerliche Auswirkungen berücksichtigen

Übergang in neue Beschäftigung

  • Arbeitszeugnis rechtzeitig anfordern
  • Resturlaub und Überstunden abrechnen lassen
  • Sperrzeit beim Arbeitslosengeld vermeiden
  • Fortbildungsmöglichkeiten prüfen
  • Netzwerk für Jobsuche aktivieren

Professionelle Beratung zahlt sich aus

Die Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist ein komplexes arbeitsrechtliches Thema, das viele rechtliche Fallstricke birgt. Auch wenn die Geschäftsaufgabe grundsätzlich einen sachlichen Grund für eine Kündigung darstellt, bedeutet dies nicht, dass betroffene Arbeitnehmer rechtlos sind.

Eine sorgfältige Prüfung der Kündigung, strategische Verhandlungen über Abfindungen und die Wahrung aller Fristen sind entscheidend für ein optimales Ergebnis. Die Rechtsprechung entwickelt sich kontinuierlich weiter, und nur mit aktueller Expertise lassen sich alle Möglichkeiten ausschöpfen.

Wenn Sie von einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe betroffen sind, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine kompetente rechtliche Beratung kann den Unterschied zwischen einer akzeptierten Kündigung ohne Abfindung und einer Einigung mit angemessener Entschädigung ausmachen.

Häufig gestellte Fragen

Muss mein Arbeitgeber mir eine Abfindung zahlen, wenn er den Betrieb schließt?

Nein, es gibt keinen automatischen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei Geschäftsaufgabe. Abfindungen entstehen meist durch Verhandlungen oder spezielle gesetzliche Regelungen, wenn der Arbeitgeber dies anbietet.

Kann ich gegen eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe klagen?

Ja, Sie können innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage erheben. Auch bei berechtigten Geschäftsaufgaben können Formfehler oder Verfahrensfehler die Kündigung unwirksam machen.

Wie hoch sollte eine Abfindung bei einer Geschäftsaufgabe sein?

Eine Faustformel besagt: ein halbes bis ganzes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Die tatsächliche Höhe hängt von vielen Faktoren ab: Alter, Betriebszugehörigkeit, Verhandlungsgeschick und der finanziellen Situation des Arbeitgebers.

Muss ich eine angebotene Abfindung annehmen?

Nein, Sie sind nicht verpflichtet, eine Abfindung zu akzeptieren. Prüfen Sie das Angebot sorgfältig und lassen Sie sich beraten, ob Nachverhandlungen sinnvoll sind.

Was passiert, wenn sich herausstellt, dass die Geschäftsaufgabe nur vorgetäuscht war?

Eine vorgetäuschte Geschäftsaufgabe macht die Kündigung unwirksam. Sie haben dann Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Nachzahlung des Gehalts. Solche Fälle sind jedoch schwer zu beweisen.

Bekomme ich sofort Arbeitslosengeld nach einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe?

Grundsätzlich ja, da Sie die Kündigung nicht verschuldet haben. Wichtig ist, dass Sie sich rechtzeitig arbeitsuchend melden und keine Abfindung erhalten, die zu einer Sperrzeit führt.

Kann mein Arbeitgeber mir bei Geschäftsaufgabe fristlos kündigen?

Nein, eine Geschäftsaufgabe berechtigt nicht zur fristlosen Kündigung. Es müssen die normalen Kündigungsfristen eingehalten werden, es sei denn, es liegen zusätzliche Gründe für eine fristlose Kündigung vor.

Was ist, wenn nur ein Teil des Betriebs geschlossen wird?

Bei der Teilbetriebsschließung muss geprüft werden, ob Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Bereichen bestehen. Außerdem kann eine Sozialauswahl erforderlich sein.

Muss der Betriebsrat bei Geschäftsaufgabe beteiligt werden?

Ja, der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Bei Geschäftsaufgabe sind zusätzlich die Regelungen zur Betriebsänderung zu beachten.

Wie kann ich beweisen, dass eine echte Geschäftsaufgabe vorliegt?

Der Arbeitgeber muss die Geschäftsaufgabe darlegen und beweisen. Als Arbeitnehmer können Sie Zweifel anmelden und Belege fordern. Indizien können sein: Weiterführung unter anderem Namen, Verkauf von Betriebsteilen, oder Weiterbeschäftigung der Geschäftsführung in ähnlicher Funktion.

 

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